Im Mittelpunkt des Zyklus "Schneewittchen" und "Snow White with Brown Sugar and Black Mamba" steht vordergründig nicht die Frage nach der aktuellen Rolle der Frau verbunden mit einer gezielten Kritik, sondern die Frage nach tradierten Räumen im Allgemeinen. Die Problematik von der Begrenztheit von Räumen und deren Durchlässigkeit wird am Szenario der Weiblichkeit durchgespielt. Die Frau steht Pate für die Hinterfragung von vorgesetzten, begrenzten und traditionell belegten Räumen. Das Weibliche erscheint Susan Donath dabei die Ideale Verkörperung des Konflikts zwischen Rollenbild, sozialer Einschränkung und gesellschaftlicher Doktrin zu sein, das Weibliche als Idealtyp für das veranschaulichen von Beschränkung und der Suche nach Durchlässigkeiten, unabhängig von sozialen, ethnischen, geographischen, religiösen und ökonomischen Gegebenheiten.
Der zweite Aspekt der Arbeiten von Susan Donath finden sich in Ihren scheinbar völlig konträr angesetzten Installationen von Kriechtieren und Fischarten. Kriechtiere und Fische sind gekennzeichnet durch ihre "Beweglichkeit", ihrer Möglichkeit, Orte zu verlassen oder diese durch ihr erscheinen zu beeinflussen, in öffentliche Orte einzugreifen und gegebenenfalls Bedeutungsebenen hinzuzufügen oder zu verändern. So ist Ihre Arbeit "Aussetzung von Helix pomatia" zunächst durch die Frage angeregt, ob es für eine Plastik einen richtigen Ort geben kann. Mit zehn Weinbergschnecken (helix pomatia) fuhr Suasan Donath nach Istanbul. Dort wurden die Objekte an zehn verschiedenen Orten ausgesetzt, fotografiert und sich selbst überlassen. Bei der Auswahl der "richtigen Orte" spielten mehrere Faktoren eine entscheidende Rolle. Durch den Akt der Aussetzung wird das bisherige statische Arrangieren der Künstlerin zur dynamischen Inszenierung erweitert. Mittlerweile wird auch Sofia (Bulgarien), Yorkshire (England), St. Anton (Österreich), Sydney (Australien) und New York (USA) von der Helix pomatia bevölkert.
Ein wichtiger Berührungspunkt von Fisch und Kriechtier liegt in Ihrem zwittrigen Wesen. In diesem Sinne verlässt Susan Donath die Ebene einer eindeutigen geschlechterspezifischen Verortung. In Ihren Installationen wird so die Frage nach Verortung nicht nur nach Außen getragen, wo zuvor Weiblichkeit als Vehikel für die Suche von Grenzen und Durchlässigkeiten von Räumen diente, sondern in einem weiteren, innerkörperlichen Kontext gebracht. Hier wird die Zuschreibung von Orten des Weiblichen oder des Männlichen mit Hilfe von scheinbar eindeutigen Körpermerkmalen gestellt und hinterfragt. Ähnlich wie bei der Rebellion gegen festgefrorene Rollenordnungen im sozialen - gesellschaftlichen Raum geht es hier um die Rebellion gegen eine biologisch - gesellschaftliche Festschreibung.
Werden Arbeiten wie "Schneewittchen" und " Szenario der schwarzen Schnirkelschnecken", so scheinbar - offensichtlich unterschiedliche Arbeiten, durch Installation und Aufbau in einen Dialog gebracht, kann man als Betrachter erst die vielschichtigen Bedeutungsebenen von Räumlichkeit und Körperlichkeit in der Gesamtidee von Susan Donath erkennen, revidieren und neu konstruieren.
Franziska Eißner, 2007
Ganz gleich, was für ein Leben du führst,
die Jungfrau ist ein reizendes Ding:
Wangen so zart wie Zigarettenpapier,
Arme und Beine aus Limosiner Porzellan,
Lippen wie Vin du Rhône.
Sie klappt die porzellanblauen Puppenaugen
Auf und zu.
Auf, um Guten Tag,
Mama! zu sagen,
und zu, um den Stoß des Einhorns zu empfangen.
Sie ist rein.
Sie ist weiß wie ein Knochenfisch.
(Auszug aus Schneewittchen und die sieben Zwerge von Anne Sexton Verwandlungen)
Kuratoren Franziska Eißner & Christian Liefke